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Evenemangsarkiv

JUBILÄUMSVERANSTALTUNG: GLEICHSTELLUNG - DAS SCHWEDISCHE MODELL.VÄTER VEREINBAREN FAMILIE UND BERUF“

Datum: 2012-10-20
Ort: Print Media Academy, Heidelberg
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DSG 2012 Jubiläum Newsletter.pdf

2012 10 24 Bericht RNZ.pdf

2012 11 07 Bericht Mannheimer Wirtschaftsmorgen.pdf

I.M. Drottninh Silvia_ Hälsning Heidelberg 20 okt 2012.pdf

40-jähriges Jubiläum der Deutsch-Schwedischen Gesellschaft Heidelberg e.V.

20. Oktober 2012 Gesprächsforum „Gleichstellung – Das Schwedische Modell.

Väter vereinbaren Familie und Beruf“

Anlässlich ihres 40-jährigen Jubiläums gelang es der Deutsch-Schwedischen Gesell­schaft Heidelberg (DSG) einen würdigen Festakt und eine aktuelle politische Bot­schaft zu verbinden. Vor dem Galadiner mit vielen Gratulanten sowie Mitgliedern der Gesellschaft gab es ein zweistündiges lebhaftes Gesprächsforum zum Thema: „Gleich­stellung – Das Schwedische Modell. Väter vereinbaren Familie und Beruf“. Die Veranstaltung wurde in der Heidelberger Print Media Academy durchgeführt.

Margret Dotter, Vorsitzende der Gesellschaft, eröffnete die Veranstaltung mit Freude und Stolz über einen ganz besonderen Glückwunsch: Die Schirmherrin der Gesell­schaft, Ihre Majestät Königin Silvia, hatte persönlich geschrieben und die DSG als ein sehr wichtiges Netzwerk für den kulturellen Austausch zwischen Schweden und Deutsch­land gewürdigt. Ihr schloss sich der aus Berlin angereiste stellvertretende schwedische Botschafter Torbjörn Haak an. Er betonte die anhaltenden hervor­ra­genden Leistungen der Gesellschaft als Schulträger für den Schwedischunterricht zugunsten schwedischer Kinder, die in der Region leben. In Vertretung von Heidelbergs Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner, dem Schirmherrn der Veran­stal­tung, sprach Bürgermeister Wolfgang Erichson. Er hob den 40-jährigen Einsatz der Gesellschaft für den deutsch-schwedischen Kulturaustausch hervor und nannte die Pflege der schwedischen Traditionsfeste Midsommar und Lucia sowie viele Konzerte, Lesungen und Ausstellungen, die schwedische Lebensart nach Heidelberg brächten. An Frau Dotter gewandt fuhr er fort: „Sie und Ihre Mitstreiterinnen und Mit­streiter haben mit enormem Einsatz an Zeit und Energie, mit der notwendigen Hartnäckig­keit und mit nicht enden wollendem Ideenreichtum die sehr positive Entwick­lung der DSG überhaupt erst ermöglicht. Und so ist Ihre Arbeit über die Grenzen Heidelbergshinaus anerkannt worden und schmückt uns als Stadt“.Heiko Huber nahm das Wort für den Stadtteilverein Handschuhs­heim, dem die DSG angehört. Die Gesellschaft sei, so Huber, ein leben­diges Beispiel für den aktiven Austausch zweier unterschied­licher Kulturen.

Wie sehr Huber den Charakter der Gesellschaft erfasst hatte, zeigte das unmittelbar folgende Gesprächsforum „Gleichstellung – Das Schwedische Modell. Väter verein­baren Familie und Beruf“.

Neben Gesandtem Haak und Bürgermeister Erichson diskutierten fünf weitere Podiums­gäste über zwei Stunden unter geschickter Moderation von Eyke Peveling, Referatsleiter aus der Landesvertretung Baden-Württemberg in Brüssel, zu den „Väter­monaten“ in beiden Rechtssystemen und Gesellschaften.

Das Modell in Schweden – das 1974 als erstes Land der Welt Vätern das Recht gab, die Elternzeit mit Müttern zu teilen – skizzierte eingangs Sylvia Augustinsson vom Schwedischen Institut in Stockholm: In Schweden wird Eltern bei Geburt eines Kindes 16 Monate bezahlter Elternzeit gewährt, wobei zwei Monate fest an jedes Eltern­teil gebunden sind, während die Aufteilung der übrigen Zeit zwischen den Eltern frei vereinbart werden kann. Zwar wird noch die meiste Elternzeit von Müttern in Anspruch genommen, doch partizipieren bereits 80% der Väter an dieser Zeit, im Schnitt mit 100 Tagen je Vater.

Über Deutschland, das sich an Schweden orientiert habe, sprach Hans-Georg Nelles, Autor und Organisationsberater aus Düsseldorf und Betreiber mehrerer Blogs, zur Väterzeit. Er verwies auf die 2007 eingeführte 14-monatige Elternzeit, die wie in Schweden zwei Monate an jeden Elternteil bindet, populär „zwei Vätermonate“ genannt.  2011 nahmen etwa 27% aller anspruchsberechtigten Väter Elternzeit. Nelles folgte dem Eingangsstatement von Frau Dotter: „In Deutschland fürchten Väter nach der Elternzeit oft den Karriereknick, in Schweden rechnen sie oft sogar mit einem Karrierekick“.

Catherine Baumann, Personalleitung des schwedischen Großkonzerns Alfa Laval, der 2012 von der renommierten schwedischen Wirtschaftszeitschrift „Veckans Affärer“ als hervorragendes gleichgestelltes schwedisches Unternehmen ausge­zeichnet worden war, sah in der Inanspruchnahme von Vätermonaten in Schweden eine steigende, noch nicht abgeschlossene Entwicklung. Das Unternehmen konnte deutlich machen, dass es selbst als Unternehmen von den Umstellungen durch die Väterzeit profitiere. Es würden mehr Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen qualifiziert, um Väter in Vätermonaten zu vertreten. Die Rotation im Unternehmen sei gestiegen, die Fluktuation aus dem Unternehmen hingegen gesunken. Väter mit Spitzen­kompetenzen verließen nicht das Unternehmen, sondern kehrten in dieses nach der Väterzeit zurück.

Dr. Rupert Felder, Personalleiter der Heidelberger Druckmaschinen AG, nahm den Ball auf und betonte den Zwang auch deutscher Unternehmen, hochqualifizierte Mit­arbeiter zu halten. Die demografische Entwicklung mache diese „unersetzlich“ und jedes Unternehmen wäre schlecht beraten, würde es den „Vätern“ keine Brücken bauen, um Elternzeit zu nehmen und danach wieder gute Aufnahme im Unter­nehmen zu finden.

Mats Berggren, Gleichstellungsbeauftragter aus Södertörn, berichtete aus seiner Be­ratungsarbeit mit Vätern. Er motiviert zur Inanspruchnahme von Väterzeit und betont die sozialen Aspekte:  Die Väter sollten keine Angst haben, dass sie durch die Inan­spruchnahme der Vätermonate ihre Arbeit verlieren, vielmehr sollten sie Angst haben, ihre Familie zu verlieren, wenn sie es nicht tun. Empirisch sei für Schweden belegt, dass in Familien, in denen Väter Verantwortung für die Kinder übernehmen, sowohl die Gewalt in der Familie abnehme als auch die Scheidungsrate sinke.

Torbjörn Haak, der schwedische Gesandte in Berlin, der selbst nach sieben Monaten Väterzeit an seinen Arbeitsplatz als stellvertretender Botschafter zurückkam, will den Schweden und Deutschen mit seinem Beispiel Mut machen: Je mehr Männer in Spitzen­positionen die Väterzeit nutzen, desto schneller und umfassender wird sie sich verbreiten. Höhere Angestellte und Beamte sind quasi Leuchttürme, an denen sich andere Mitarbeiter orientieren.

Bürgermeister Erichson stimmte Gesandtem Haak bei: In Deutschland fehlten vor allem die Vorbilder auf hohem Niveau für Väter in Elternzeit. Entsprechend sei Schweden bezüglich der Gleichstellungspolitik ein großes Vorbild für andere Länder. Im Gegensatz zum deutschen Wohlfahrtsstaat fördere Schweden die unabhängige Existenzsicherung von Frauen. „Wir müssen bereit sein, die traditionellen Rollen­bilder zu verändern und hier kann Schweden als gutes Vorbild dienen.“

Unternehmensvertreterin Catherine Baumann hob die besonderen Kompetenzen hervor, die Väter in Elternzeit quasi als „Weiterbildung“ mitbekämen und die anschlie­ßend dem Unternehmen zu Gute kämen. Besonders die erworbene Sozialkompetenz diene zum Vorteil ihrer beruflichen Aufgaben. 

Organisationsberater Hans-Georg Nelles ergänzte aus seiner beruflichen Erfahrung: „Wenn Männer Verantwortung für Kinder übernehmen, erwerben sie Kompetenzen, die wertvoll für die Betriebe sind: Sie erweitern ihren Horizont und entwickeln sich zu durchtriebenen Diplomaten und Verhandlungsgenies. Sie entwickeln empathische Fähigkeiten, vermitteln Geborgenheit und können zwei Sachen gleichzeitig machen.  Das ist eine 50-prozentige Steigerung der Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer nach der Vaterzeit.“

Die offene Diskussion mit dem Publikum brachte weitere interessante Beiträge. So betonte ein Teilnehmer mit schwedischen Wurzeln, dass die Schweden lockerer mit der beruflichen Abwesenheit von Personen während der Elternzeit umgingen: “Man akzeptiert es, dass sie abwesend sind und freut sich mit ihnen über den freudigen Anlass. Kein Aufregen sondern nur Verständnis.“ Ein Reaktion, die nach Auffassung des Diskutanten in der ungeduldigen und bürokratischen Gesellschaft in Deutschland schwer vorstellbar wäre.